Klingt schmerzhaft, war aber laut selektivem Zuschauerfeedback einer der lustigsten Vorträge auf der diesjährigen code.talks. Gemeinsam mit Marcel Semmler von Bauer Xcel Media füllte Nils dreißig unterhaltsame Minuten zu einem unserer Lieblingsthemen: der schlanken und effektiven Produktentwicklung. Den gesamten Vortrag könnt ihr euch hier anschauen.

In ihren gesammelten Berufserfahrungen blicken die beiden auf eine schon fast beachtliche Sammlung gescheiterter Projekte zurück. Eine Zauberformel für erfolgreiche Produktideen haben sie dennoch nicht, aber einige Methoden ausprobiert, die Ideen schneller reifen oder scheitern lassen.

Dein Projekt wird kein Erfolg

Gute Ideen gibt es viele, einige erblicken auch das Licht der Welt in Form von Produkten, die allerwenigsten überleben davon, geschweige denn refinanzieren ihren Entwicklungsaufwand. Klingt hart, ist aber Realität. Und eigentlich ist das auch gar nicht so wild, denn Ideen kommen und gehen und die Außenwelt sieht eben doch meistens anders aus als in den kuscheligen Wänden des eigenen Oberstübchens. Wichtig ist nur, sich frühzeitig von Ideen wieder zu verabschieden oder tragfähige Ideen schnell groß zu machen.

Hier die fünf ultimativen goldenen Regeln, um mit dem Fahrrad statt dem Porsche gegen die Wand zu fahren:

1. Probleme statt Lösungen

Jede/r von uns hat oft Ideen für Lösungen, die vor einem noch niemand entwickelt hat. Und in der Regel sind die auch richtig gut, zumindest im eigenen Kopf. Das ist ja das Schöne an eigenen Ideen, dass man sie absolut super findet. Und oft finden auch Gleichgesinnte aus der eigenen Filterblase die Idee super. Noch öfter existiert aber für die Lösung gar kein relevantes Problem, das es durch die Idee zu lösen gilt. Den nötigen Realitätscheck liefern in dieser Phase die üblichen Verdächtigen aus dem Design Thinking wie Value Proposition Canvas oder Design Sprints, aber auch klassische Interviews mit potentiellen Konsumenten (wichtig: wirkliche Kunden und nicht die eigenen Freunde und Kollegen) oder die gute alte teilnehmende Beobachtung von Konsumentenverhalten.

2. Die glorreichen Fünf

Um nicht dem eigenen Confirmation Bias aufzusitzen benötigt ihr keine groß angelegte repräsentative Feldstudie oder Primärforschung, in der Regel reichen fünf relevante qualitative Interviews, um eine Idee im ersten Schritt zu validieren.

3. Die Wahrheit liegt beim Nutzer

Ein weiterer Klassiker unter den Produktentwicklungsfehlern: die Idee im Elfenbeinturm ausarbeiten. Auch nach der Validierung der Idee sollte das Produkt iterativ mit kontinuierlichem Nutzerfeedback gebaut werden. Euer Ziel sollte sein, möglichst wenig Code möglichst spät zu produzieren. Wireframes können auf Papier oder als Click-Dummies getestet werden, Features können zunächst simuliert statt gebaut werden. Letztendlich entscheiden die Nutzer, welche Produkte im echten Leben erfolgreich sein werden und je eher und enger ihr sie in eure Produktentwicklung einbindet, desto erfolgreicher kann euer Produkt werden.

4. Fake it till you make it

Ein feiner aber sehr teurer Unterschied in der Produktentwicklung liegt zwischen der Bekundung von Interesse eines potentiellen Nutzers (wie in Punkt 1+2 geschehen) und dessen tatsächlicher Nutzung des Produktes. Eindrucksvolle Beispiele gibt es dazu unter anderem von IBM und Google, die dank “Pretotyping” viel Geld gespart bzw. versenkt haben. Die Idee dahinter: bevor ihr ein Produkt entwickelt, testet die Anwendung und tatsächliche Nutzung in der Realität mit echten Nutzern und echtem Geld. Prominentes Beispiel dafür ist auch Zappos, die zunächst die Schuhe selbst im Einzelhandel kauften um ihre ersten Bestellungen zu erfüllen um zu prüfen, ob sich tatsächlich Leute Schuhe im Internet bestellen würden.

5. Minimale Technikkosten

Wenn es eure Idee so weit geschafft hat, dass ihr sie tatsächlich in ein digitales Produkt umsetzen könnt, so bleibt auch hier agil und fangt lieber “quick and dirty” an als ein komplettes Entwicklungsteam mit einer komplexen Ausarbeitung zu beschäftigen. Guter Trick ist auch die Herausgabe der Entwicklung an externe Partner in kleinen Häppchen, so dass ihr diese gegebenenfalls diskret entsorgen könnt, wenn eure Idee aller Validierungen zum Trotz kein Erfolg werden sollte. Während der Entwicklung eines MVP  kommt dann auch die schlanke Qualitätssicherung mit Lean Testing ins Spiel, denn das Produkt soll schließlich gut funktionieren, die QA aber nicht überproportional zum Wert des Produktes anwachsen.

Denn auch wenn ihr unsere fünf Faustregeln rigoros befolgen solltet, gibt es für Ideen einfach keine wasserdichte Erfolgsformel. Dazu sind die Unwägbarkeiten in der digitalisierten Welt einfach zu divers und komplex.

Aber gerade deshalb gilt: Lieber mit dem Fahrrad gegen die Wand fahren als mit dem Ferrari.

Die gesamte Präsentation findet ihr in der Leankoala Akademie.

Wer sich die unterhaltsamsten dreißig Minuten der code.talks 2018 lieber in voller Länge anschauen mag: